Gharana – Lernen vom Meister

Der Begriff Gharana steht für eine Verbindung von Musikern der klassischen, nordindischen (Hindustani) Musik und ist gleichzeitig auch als Lernstätte dieser Musikrichtung zu verstehen. Auch der Tanz wird in Gharanas gelernt. Es ist keine Schule im herkömmlichen Sinn, vielmehr könnte man es mit Privatunterricht zwischen Meister und Schüler vergleichen.

Es gibt viele unterschiedliche Gharanas. Die Einteilung der Gharanas erfolgt nach Gesang, Instrument oder Tanzstil. Bei den Instrumenten wird wieder zwischen melodiösen Instrumenten und den Tablas (Trommeln) unterschieden. Auch der Ort, indem eine Gharana ansässig ist, wird in die Bezeichnung aufgenommen. Eine Gharana darf nur von einem Meister gegründet werden. Eine hinreichende, familiäre Tradition ist ebenso eine Voraussetzung. So sollten innerhalb der Generationen bedeutende Erfolge in der Musikgeschichte vorzuweisen sein. Je berühmter die vorangegangen Meister, umso höher der Status der Anerkennung. Auch die Zahl der Schüler ist ausschlaggebend. Die Gharana soll ein kulturelles Zentrum bilden.

Gharanas waren für die indische Musiktradition von großer Bedeutung. Aus ihr sind viele erfolgreiche Musiker hervorgegangen und die Übermittlung der ursprünglichen Klänge konnte so erhalten werden. Das Lernen eines Instruments oder des Gesanges erfolgt ausschließlich durch Beobachten und Nachahmen. Dass dies ein sehr langer Lernprozess ist, der von einem Schüler eine gehörige Portion an Ausdauer, Geduld und Aufnahmefähigkeit erfordert, versteht sich von selbst. So ist es auch ganz normal, dass eine Lehreinheit mehrere Stunden, wenn nicht so gar einen ganzen Tag dauert. Auch die Bereitschaft zur Weiterentwicklung und zum Experiment zeichnet einen sehr guten Schüler aus.

Die strenge Tradition der Gharanas ist heute eher selten verbreitet. Sie war zu einer Zeit geboren, als das Verbindungsnetz und die Infrastruktur in Indien nur schwach ausgebaut waren und so viele andere Einflussmöglichkeiten fehlten. Kritische Stimmen bemängelten die fehlende Vermittlung von theoretischen Kenntnissen, die Beschränkung auf einen Lehrer oder auch Guru und die strenge Abschottung, auch aus Wettbewerbsgründen. Ende des 19. Jahrhunderts wurden dann die ersten Musikschulen gegründet, in denen die Ragas theoretisch erarbeitet wurden und ein Lehrerwechsel bei den Schülern erfolgte.

In Indien gehören die bestehende Gharanas noch immer zu bedeutenden Einrichtungen, aus denen zahlreiche, großartige Künstler hervorgegangen sind. Gerade solche, die auf eine jahrhunderte alte Tradition zurückblicken können. So kann ein Musiker einer Gharana angehören, er kann einer Gharana zugeordnet werden, je nachdem in welchem Bereich er tätig ist oder aber er erklärt sich selbst als zugehörig, obwohl er dort nie Unterricht hatte. Es ist mehr oder weniger wie eine Art Kategorisierung, in der Berufung auf Tradition und Musikstil.