Jolicloud: Netbook-Betriebssystem für Onliner

Nachdem ich vor kurzem meine Eindrücke hinsichtlich des Jolicloud Netbooks OS geschildert habe, freue ich mich sehr, heute den ersten Gastbeitrag von Martin Weber veröffentlichen zu können. Er dreht sich ebenfalls um Jolicloud.

Netbook-Besitzer kennen ihn – den Betriebssystem-Blues

Die meisten Netbooks werden mit Windows XP Home, das mittlerweile schon 8 Jahre auf dem Buckel hat, ausgeliefert. XP läuft sehr stabil, seine technische Basis und die Funktionen sind aber mittlerweile durchaus erneuerungsbedürftig. An ein vernünftig laufendes Windows Vista ist nicht zu denken, Windows 7 ist noch nicht auf dem Markt.

Das Netbook mit Linux zu betreiben ist in der Regel möglich, jedoch je nach Modell teilweise kompliziert und mit viel Konfigurations-Arbeit verbunden. OS X ist auch nicht jedermanns Sache und dessen Installation nochmals ungleich schwieriger als die eines Linux – vom Hardware-Problem mal ganz abgesehen.

All dies wissen auch die Macher von Jolicloud: Sie haben ein ein auf Ubuntu Linux basierendes Betriebssystem, das auf den Betrieb mit Netbooks optimiert ist, entwickelt.

Im Großen kann man hinter der Neuentwicklung zwei Hauptziele zusammen fassen: Die Bedienung des Betriebssystems soll erleichtert werden und die Verwebung mit dem WWW sollen enger werden.

Auf Bedienungsseite galt es vor allem der Beseitigung der Unkenrufe, dass Linux kompliziert sei, es viel zu konfigurieren gäbe, die Lieblings-Windows-Applikation doch nicht laufe und so weiter.

Zur Verschmelzung von Webapps – also Internetdiensten, die Funktionen von vormals lokal installierten Programmen übernehme – nutzt Jolicloud Mozillas Prism- und Googles Gear-Techniken. Auf Basis dieser OpenSource-Lösungen kann aus jeder Webapp ein eigenständiges Programm kreiert werden, dass sich anschließend wie ein „richtiges“ Programm verhält und auch offline funktioniert. Hat man wieder eine Internet-Verbindung, werden die Daten abgeglichen.

Ich hatte in den letzten Tagen die Chance, mir die private Alpha-Version genauer anzusehen.

Das ISO-Image des Betriebssystems hat gut 600MB und kann bootfähig auf einen USB-Stick kopiert werden – dies ist auch nötig, denn Netbooks haben ja kein optisches Laufwerk.

Beim Starten merkt man Jolicloud seinen Ursprung an: Ähnlich wie bei normalem Ubuntu kann man das System live testen, ohne etwas zu installieren. Ebenfalls kann man das System natürlich auch fest auf dem eigenen Netbook installieren. Der Live-Modus hat auf meinen Dell Mini 9 sehr gut geklappt, sämtliche Komponenten des Systems wurden korrekt erkannt und waren sofort betriebsbereit.

Als Haupt-Anlaufstelle des Betriebssystems haben sich die Macher von Jolicloud einen klugen Startbildschirm einfallen lassen, der Shortcuts zu allen Aktionen bereithält. Installierte Programme lassen sich in Kategorien (Office, Spiele, etc.) anzeigen und starten; auf der rechten Seite des Bildschirms finden sich Verweise zu den häufig genutzten Ordern auf der Festplatte. Am oberen Rand des Bildschirms befindet sich der Programmwechsler und Statusinformationen zum WLAN-Netzwerken, Bluetooth-Geräten etc.

Der Startbildschirm: Links die Programm-Kategorien, in der Mitte die Auswahl, rechts oft genutzte Ordner und oben Programmwechsler und Statusleiste.

Die Benutzung von installierten Programmen geht leicht von der Hand, manchen Webapps ist auf Anhieb nicht anzusehen, dass sie keine echten lokal installierten Programme sind.

Eine weitere Besonderheit ist die Jolicloud-Homebase: Hier lassen sich der eigene Account des Dienstes verwalten und Zusatzanwendungen mit wirklich nur einem Klick installieren. Diese einfache Art der Installation funktioniert beeindruckend gut: So schnell kann man auf keinem anderen Betriebssystem Programme zum Laufen bringen. Ebenfalls kann man hier sehen, was die Freunde, die ebenfalls das Community-Linux nutzen, gerade machen oder sich installiert haben. Auch Betriebssystem-Updates kann man über die Homebase laden.

Die Jolicloud-Homebase: Hier kann man unter anderem Programme installieren, updaten und deinstallieren.

Hinter dem Jolicloud-Account steckt noch eine weitere Idee: Nutzt man selbst mehrere Netbooks mit dem Betriebssystem, können installierte Programme und Einstellungen auf diesen Rechnern synchron gehalten werden. Dies konnte ich allerdings nicht testen.

Doch Jolicloud ist kein abgespecktes Ubuntu: Es handelt sich um ein vollwertiges Linux-Betriebssystem mit den gewohnten Programmen und Umgebungen.

Auch gewöhnliche Programme wie ein Dateibrowser funktionieren natürlich.

Die Macher von Jolicloud haben kein neues Betriebssystem geschaffen – aber ein sehr gutes, schon existierendes System in eine äußerst interessante Richtung weiter entwickelt.

Auch Windows-Programme lassen sich dank WINE ganz einfach installieren und nutzen.

Ich möchte mich herzlich bei Martin für die Schilderung seiner Eindrücke in diesem Gastbeitrag bedanken!